Gold und Silber: aktuelle Marktlage

Von Jan Weigelt

Wir befinden uns nach wie vor in der für Edelmetalle schwächsten Phase des Jahres, die aus der Erfahrung der letzten 40 Jahre heraus noch bis Ende Juni andauert. Dennoch hat der Goldpreis auf Eurobasis in Folge der Verschärfung der europäischen und amerikanischen Schuldenkrise am 27. Mai einen neuen Rekordpreis bei 1.086,40/Unze (31,1g) erreicht und notiert aktuell bei 1.056 Euro/Unze bzw. 1.548 US-Dollar/Unze (Stand 6. Juni).

Die terminmarktbedingten Verwerfungen bei Silber in der ersten Maihälfte haben sich unter dem Einfluss der im Gegenzug explodierenden physischen Investorennachfrage deutlich beruhigt. Nach dem Erreichen des Korrekturtiefs von 32,34 US-Dollar/Unze konnte sich der Preis des weißen Geldmetalls stabilisieren und notiert aktuell bei 36,80 US-Dollar/Unze. Damit notiert der Silberpreis jetzt wieder auf dem Niveau von Mitte März dieses Jahres, also einem Zeitpunkt, zu dem der Preis ein neues Einunddreißigjahreshoch erreichte. Auf Eurobasis kostet eine Unze Silber aktuell 25,20 (Stand 6. Juni).

Bereits in der Mai-Ausgabe zeigten wir die Positionierung der Terminmarktteilnehmer, um zu verdeutlichen, dass der Preisentwicklung bei Gold und v.a. bei Silber im Vergleich zu anderen Rohstoffmärkten (z.B. Rohöl) keine spekulative Übertreibung am Terminmarkt zu Grunde liegt. Die aktuellen Daten der Terminmarktaufsichtsbehörde CFTC zeigen, dass sich an diesem Umstand nichts geändert hat, im Gegenteil:

Der Verlauf der roten Linie zeigt die deutliche Verringerung des spekulativen Exposures bereits seit September letzten Jahres. Der starke Preisanstieg des Silbers um 92% in diesem Zeitraum wurde ganz klar durch die nach wie vor steigende physische Nachfrage verursacht und definitiv nicht durch Terminmarktspekulanten. Die starke Kurskorrektur beim Silber von dem Zyklushoch bei 49,82 USD bis auf im Tief 32,34 USD ging mit einem weiteren Rückgang der spekulativen Kontrakte einher, so dass mittlerweile ein extrem solider Boden erreicht wurde, der für das saisonal ohnehin starke zweite Halbjahr dynamische Kurssteigerungen erwarten lässt – ohne Querschüsse vom Terminmarkt.

Der Haupttreiber steigender Kurse bleibt die Umschichtung von ungedeckten Reservewährungen in Edelmetall, also in gedeckte Reservewährungen. Sowohl institutionelle Investoren als auch staatliche Institutionen (Notenbanken, Sovereign Wealth Funds) und in zunehmendem Maße auch private Investoren erkennen diese existenzielle Notwendigkeit in Anbetracht des sich rapide verschlechternden Zustands des US-Dollar zentrischen Weltwährungssystems.
Auch bei SOLIT nutzten daher die Investoren die günstigeren Preise zum Auf- bzw. Ausbau von Positionen. Denn trotz des Preiseinbruchs bei Silber nehmen die Gründe für den Besitz „echten“ Geldes dramatisch zu.

In den USA zeichnet sich bereits jetzt ein neues Rekordabsatzjahr für Silbermünzen ab. Normalerweise ist der Mai aus saisonalen Gründen einer der schwächsten Absatzmonate für Silberdollars. 2011 avanciert der Wonnemonat mit über 3,65 Mio. verkauften Unzen zum bislang zweitstärksten Monat des Jahres (nach Januar).

Die Diskussion um die drohende technische Staatspleite der USA im August 2011 sowie die Drohung der großen Ratingagenturen Moody´s und S&P das Kreditrating der USA herabzustufen, haben vielen Amerikanern die prekäre Situation der Staatsfinanzen erneut vor Augen geführt.
Parallel zur deutlich anziehenden physischen Investorennachfrage sinken die verfügbaren Lagerbestände kontinuierlich weiter. Es besteht über den Zeitverlauf die Gefahr, dass in Zukunft nicht mehr alle physischen Lieferwünsche von Händlern an der COMEX erfüllt werden können und der Börsenbetreiber CME Group den Default (=Lieferausfall) für den Silberhandel erklären muss. Die Folgen für die Preisentwicklung sind unabsehbar und werden auf Grund rasant steigender Beschaffungskosten für die verarbeitende Industrie zu enormen volkswirtschaftlichen Schäden führen.

Die verbleibenden ca. 100 Mio. Unzen entsprechen gerade noch einem Gegenwert von 3,7 Mrd. US-Dollar und stehen zu großen Teilen zu den aktuellen Preisen gar nicht zum Verkauf, sondern werden von ihren Besitzern lediglich bei der Warenterminbörse COMEX zwischengelagert.

Währungen in der Existenzkrise

In jüngster Zeit wird in den Medien oft von „Eurostärke“ gesprochen. Gemeint ist die Währungsrelation zu anderen ungedeckten Papierwährungen wie zum Beispiel dem US-Dollar oder dem Britischen Pfund. Allerdings wird hier eine unsolide Währung mit noch schlechteren Währungen verglichen – bezogen auf Staatsverschuldung, Defizite und Strukturprobleme. Schaut man sich aber zum Beispiel den Euro im Vergleich zum Schweizer Franken an, einer klassischen Krisenwährung, dann wird an der Entwicklung der eidgenössischen Valuta die massive Fluchtbewegung aus dem Euroraum sichtbar. Schon seit Monaten fliehen Griechen, Iren, Portugiesen, Spanier und sogar Deutsche aus der Gemeinschaftswährung in den relativ kleinen Währungsraum Franken. In griechischen Bankenkreisen ist bereits von Panik und „Bank-Run“ die Rede.

Noch dramatischer fällt die Negativbilanz des Euro gegenüber der Reserverwährung Gold aus. Hier büßte der Euro sogar Dreiviertel seines Wertes ein, und das in nur 11 Jahren:

Aber nicht nur gegenüber solideren Währungen wertet der Euro massiv ab. Auch gegenüber dem Wert von Waren und Dienstleistungen. Die Kaufkraft der Esperantowährung Euro sinkt mit zunehmender Dynamik, ebenso wie die der Weltleitwährung US-Dollar:

Verwunderlich ist diese Entwicklung nicht, wenn man bedenkt, mit welcher Geschwindigkeit die digitalen Notenpressen der Zentralbanken in Japan, Großbritannien, China und vor allem den USA heiß laufen, um Geld in das Finanzsystem zu pumpen, das diese Überschussliquidität dann u.a. in Rohstoffe umleitet und schlussendlich die Güter- und Dienstleistungspreise in die Höhe treibt.

Erschreckend an dieser Entwicklung ist, dass all die Stützungs-, Rettungs- und Stimulusmaßnahmen weder die Schuldenprobleme gelöst noch die Wirtschaft nachhaltig stabilisiert haben. Die ökonomischen Frühindikatoren in den europäischen Peripherieländern sowie in den USA drehen schon wieder dynamisch Richtung Abschwung.

Notenbankchefs wie Mervin King (Bank of England) und Ben S. Bernanke (US Federal Reserve Bank) haben deshalb bereits weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen und eine Beibehaltung des historisch niedrigen Zinsniveaus trotz anziehender Inflationsraten angekündigt. Daraus resultieren weiterhin negative Realzinsen und eine fortschreitende Erosion des Vertrauens. Vertrauen ist aber die letzte werterhaltende Stütze der ungedeckten Währungen. Geht diese verloren, kommt es zum Währungscrash.

Ein Risiko, das vom Finanzmarkt aktuell noch nicht realistisch diskontiert wird, ist die Tatsache, dass die Gemeinschaftswährung Euro mit ökonomischen Spannungen zwischen Nord- und Südeuropa konfrontiert ist, die ab einem bestimmten Zeitpunkt schlicht nicht mehr tragfähig sind. Damit trägt der Euro als Währung ein enormes Existenzrisiko in sich: Die komplette Auflösung und Rückabwicklung in nationale Währungen – zu deutlich schlechteren Konditionen (verbunden mit einem Schuldenschnitt).

Umso mehr die Kapitalmarktteilnehmer in den nächsten Monaten und Quartalen diese Tatsachen begreifen, je intensiver wird die Suche nach Alternativwährungen die Devisenkurse bestimmen – vor allem die von Gold und Silber – den solidesten aller Währungen.

Quelle: SOLIT


Aktualisiert am 30. Juni 2011 | Tags: , , ,